Abstract
In Belgien, einem territorial mehrsprachigen Staat, ist Deutsch die Erstsprache (L1) von einer Minderheit (ca. 0,7 Prozent der Gesamtbevölkerung) im offiziell deutschsprachigen Gebiet im Osten des Landes. Nicht zuletzt durch die in den letzten Jahren ständig wachsende Autonomie dieses Gebietes (= Ostbelgien) spielen sowohl das Deutsche als Sprache als auch die belgische Nationalität für den größten Teil der Bevölkerung Ostbelgiens eine wichtige, identitätsstiftende Rolle. Zu dieser kulturellen und politischen Entwicklung hat die Anerkennung von drei Sprachgemeinschaften in Belgien beigetragen, die zu einer mehrsprachigen Bildungspolitik in Ostbelgien geführt hat. Diese verfolgt einerseits das Ziel, Deutsch als L1 zu bestärken, andererseits parallel dazu aber auch Französisch als erste Fremdsprache in höchstem Maße zu fördern.
Nach der mittlerweile etwa 100 Jahre alten politischen Trennung des Gebietes von Deutschland lässt sich nun durchaus die Frage stellen, inwieweit sich ein besonderes ostbelgisches Deutsch entwickelt hat und welche Einstellungen die Bevölkerung gegenüber jenem hat. Der Ausgangspunkt dieser Frage ist das Zusammenspiel zwischen Sprache und Identität, welche im Falle Ostbelgiens in eine Art Migrationsnetzwerk, bestehend aus den angrenzenden Gebieten Belgiens, Deutschland und Luxemburg, eingebunden sind und von diesem bestimmt werden.
Das Ziel dieses Beitrags ist, eine Analyse über jenes Zusammenspiel von Sprache und Identität durchzuführen und der Frage nachzugehen, ob und wie sich ein spezifisches ostbelgisches (Standard-)Deutsch definieren lässt, durch welche sprachlichen Kontakteinflüsse es geprägt ist und wie es von unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet wird.
Keywords: Sprachkontakt; Spracheinstellungen; Sprachideologien; Varietätenlinguistik; Ostbelgien; Deutschsprachige Gemeinschaft